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Sozialarbeit – wo Perspektivwechsel Zukunft eröffnen

Kleine Systeme statt immer größere Einheiten! Innerfamiliäre Probleme können nicht einfach in Bildungsinstituten gelöst werden, lautet ein Appell in der Jugendsozialarbeit

Auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ antwortet Dietmar Vitt, Geschäftsführer des Katholischen Jugendwerks Förderband in Siegen, mit einer Gegenfrage: „Womit?“ Gute Frage.

Wo also anfangen: Mit dem Job?

Mit der Gesellschaft, die seinen Job erst nötig macht? Oder mit Kirche und Synodalität? „Diese Reihenfolge gefällt mir“, meint Dietmar Vitt.

Also beginnen wir beim Job. Bei der christlichen Sozialarbeit für junge Menschen.

Vieles von dem, was das Katholische Jugendwerk in Siegen macht, drückt sich bereits im Namen „Förderband“ aus. „Früher, als es in den Fabriken noch Förderbänder gab, war der Name besser verständlich“, erzählt Dietmar Vitt. „Heute sagen viele zu uns fälschlicherweise Förderverband.“

Dabei geht es in der Jugendsozialarbeit darum, wie auf einem Förderband junge Menschen beim Vorankommen zu unterstützen, insbesondere beim Einstieg in den Beruf. Junge Menschen, die es aus eigenem Antrieb vielleicht nicht schaffen würden, denen die Orientierung fehlt. Irgendwann aber bricht auch die Analogie des Förderbands.

In den Fabriken transportierten die Förderbänder leblose Teile. Das Förderband Siegen hat es aber mit lebenden und selbstbestimmten Menschen zu tun.

Auf jede Klientin, jeden Klienten blickt Dietmar Vitt mit Stolz. „Im Leben der meisten sind unglaublich viele Dinge schiefgelaufen, auch seitens der Institutionen, die eigentlich helfen sollten.“ Das Förderband wird von den Klientinnen und Klienten ebenfalls als Teil dieser Institutionen wahrgenommen. Daher, so Dietmar Vitt weiter, koste es seine Klientinnen und Klienten immens große Kraft, den Dreiwortsatz zu sagen, mit dem etwas Neues beginnen kann: Ich brauche Hilfe.

 

Jugendsozialarbeit ist ein Knochenjob

Höchsten Respekt zollt Vitt auch seinen Mitarbeitenden.

In den meisten Fällen kostet es unfassbar viel Mühe, bis die jungen Menschen so viel Vertrauen gefasst haben, dass sie für einen nächsten Entwicklungsschritt bereit sind. Und selten führt ein gerader Weg aus der Krise. Immer wieder kommt es zu Rückschlägen und Enttäuschungen, die verdaut werden müssen, von den Betroffenen wie von den Mitarbeitenden.

„Die Belastung legt man nicht nach 39 Wochenstunden ab. Jugendsozialarbeit ist ein Knochenjob“, sagt Dietmar Vitt.

„Aber wenn man die vielen kleinen und großen Erfolge dagegenhält, ist Jugendsozialarbeit lohnend und erfüllend.“

 

Das Problem besteht aus weitergereichten Problemen

Das Förderband in Siegen bietet eine Vielzahl an Projekten und Aktivitäten, von der Schulsozialarbeit über Aktionen zur Verhinderung von Jugendkriminalität bis hin zu Programmen für den Berufseinstieg.

Und: Die Maßnahmen des Förderbands sind allesamt proppenvoll.

„Die Probleme beginnen in der Familie“, lautet der Erklärungsansatz von Dietmar Vitt. „Diese werden dann oft an die Kita und Schule weitergereicht, also an Bildungsinstitutionen. Und diese versuchen, gesellschaftliche Probleme mit Bildungsinhalten zu lösen. Das kann nicht klappen.“ Lehrkräfte nimmt Dietmar Vitt ausdrücklich in Schutz: Jede Lehrkraft einer sechsten Jahrgangsstufe sei in der Lage, die Schülerinnen und Schüler zu benennen, die Jahre später bei Institutionen wie dem Förderband landen. Nur fehlt den Lehrkräften die Zeit. Vitt wünscht sich ein System Schule, das weniger auf Bildungsinhalte setzt und in dem dafür Fachleute aus Schule, Psychotherapie, Sozialarbeit und Bildungsmaßnahmen als multiprofessionelles Team das Wohl der Kinder und Jugendlichen ganzheitlich in den Blick nehmen. „Außerdem müssen wir weg von immer noch größeren Einheiten und wieder hin zu kleinen Systemen, in denen der Mensch gesehen wird.“

 

Gelebte Synodalität in der Jugendsozialarbeit

Im Förderband Siegen gibt es diese kleinen Systeme. Die wenigsten Klientinnen und Klienten wissen, dass dahinter ein christlicher Trägerverein steht. Auch für die Mitarbeitenden spielt die christliche Orientierung des Förderbands eine untergeordnete Rolle. „Und dennoch durchzieht ein christlicher Geist mit dem Gebot von Liebe und Geschwisterlichkeit unsere Arbeit“, betont Dietmar Vitt. „Erfolgreiche Jugendsozialarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass wir uns zuhören, einander akzeptieren und miteinander einen Weg gehen. Für mich ist das ein Ausdruck von Synodalität.“

 

Dieses Interview wurde veröffentlicht in "wirzeit" der Zeitung für Engagierte im Erzbistum Paderborn in der Ausgabe 02/2023 auf Seite 14.

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